2024-12-12
Nachdem wir mit dem Zug von Wattwil über Wil SG in Zürich ankamen und im gemütlichen Restaurant Riithalle an der Gessnerallee fein getafelt hatten, erlebten wir etwas Eindrückliches und Erstaunliches.
Erstaunlich war es, wie die sympathische, noch jüngere Sandra Brühlmann uns von ihrem Leben erzählte. Ohne zu jammern, ohne sich zu beklagen, mit frischer Stimme und offenem Herzen berichtete sie uns von ihrem tiefen Fall und später dann davon, wie sie aus dieser Misere herausgefunden hat. Sie brauche ihren Ringordner, sonst verliere sie den Faden, meinte sie. Das störte aber gar nicht. Diese Frische mit einigen Lachern dazwischen wirkte aber überhaupt nicht oberflächlich. Im Gegenteil, ich erlebte sie sehr glaubwürdig. So sprechen kann nur jemand, der das alles durchgemacht hat, was sie uns da mitteilt und ans Herz legt.
Eindrücklich ist Sandras Lebensgeschichte, welcher wir alle empathisch zuhörten.
Angst war in ihrer Familie ständig präsent. Und diese griff immer variantenreicher um sich. Frühe Freundschaften, nicht die besten, schnell mit Alkohol und Drogenkonsum vermischt, verunmöglichten Sandra einen Weg mit einem positiven Ziel, z.B. einem Lehrabschluss, regelmässige Arbeit, einem Lohn, von dem sich leben liesse. Die eine Sucht versuchte sie mit der nächsten zu besiegen und ein Psychiater half dabei noch mit bis zu 57 Ritalin Tabletten à 10 mg pro Tag mit. Die Fotos ihrer vermüllten Wohnung sagten alles.
Ein langes Hin und Her und ein gewaltiger Entscheid: seit dem 1. März 2015 trinkt Sandra nichts mehr. Bis dahin passierte viel. Man spürte ihre Dankeshaltung für alle Menschen, welche ihr dabei geholfen haben. Nach langem Leben auf der Strasse, dann nach der Wende im ‘Suneboge’ (ehemals von Pfarrer Sieber gegründet) lebt Sandra jetzt in einer eigenen Wohnung mit einer Festanstellung bei der Organisation surprise. Wunderbar!
Diese Geschichte hörten wir in Etappen und an verschiedenen Orten: Kirche St.Jakob, vor dem Haus zur Stauffacherin, beim Café Starbucks, wo Sandra sich an der warmen Schachtluft erwärmt hatte, beim Schanzengraben und schlussendlich im Suneboge, wo sie 5 Jahre gelebt hat und unterstützt wurde.
Wir waren froh, dass wir an die Wärme konnten, denn es war heute in Zürich sehr kalt. Sandra hat Monika bereits ein WhatsApp geschickt, dass sie sich auf eine gemeinsame Wanderung mit uns im Toggenburg freue. Das wäre wirklich schön.
Vielen Dank an Sandra, welche uns beeindruckte, erstaunte und betroffen machte. Vielen Dank an Monika, welche diesen speziellen Tag wie immer bestens organisiert hat.
Bericht: Klaus Zemp
Bilder: Ruedi Flotron, Eva Hehli