2024-05-16
Wenn die Wetterprognosen unsicher sind, ist es für die Wanderleitung stets schwierig zu entscheiden, ob man nun auf die Wanderung gehen soll oder nicht. Für heute haben Klara und Catherine den Mut gehabt, sich für die Durchführung der Tour zu entscheiden. Es hat sich sehr gelohnt. 28 Frauen und Männer des SAC Toggenburg konnten einen wunderbaren Wandertag in dieser einmaligen Landschaft unseres Landes erleben. Die Rheinschlucht, romanisch Ruinaulta von Ruina (Geröllhalde, Abbruch) und aulta (hoch) ist eine höchst eindrückliche 400 m tiefe und 13 km lange Schlucht des Vorderrheins zwischen Ilanz und der Mündung des Hinterrheins bei Reichenau. Entstanden ist die Schlucht durch den Flimser Bergsturz vor circa 10´000 Jahren. 10 Milliarden Kubikmeter Felsmassen begruben damals das Tal unter sich. Der Rhein wurde auf einer Länge von 25 km aufgestaut. Im Laufe der Zeit bahnte sich das Wasser einen Weg durch die Schuttmassen und es entstand eine einzigartige Schlucht mit steilen Kalkstein-Schuttklippen.
Wir starteten die Wanderung bei Trin-Mulin und wanderten zum stillen, verträumten Cresta-See. Wegen des unsicheren Wetters waren wir die einzigen Wanderer. Durch schöne Wälder führte der Wanderweg zur Aussichtsplattform „il spir“ (Mauersegler). Der Blick in die Tiefe auf den Rhein und die gewaltigen Felsklippen ist atemberaubend. Beim steilen Abstieg überraschten uns lieblich duftende Maiglöckchen und seltene Orchideen: Frauenschuh, Fliegenragwurz und Helmknabenkraut. Später begrüsste uns, für die meisten zum ersten Mal in diesem Jahr, ein weiterer Frühlingsbote mit seinem frohen Gesang: der Kuckuck.
In der Nähe der Station Versam-Safien pick-nickten wir direkt am stark strömenden Rhein. In stetem Auf und Ab ging es weiter bis zum Bahnhof Valendas -Sagogn, wo wir eine wohlverdiente Einkehr im Restaurant genossen.
Kurz vorher hatten wir ein paar Spritzer Regen abbekommen. Wir haben wider Erwarten einen wunderbaren Frühlingstag erlebt.
Mir kommt ein wunderbares, altes romanisches Frühlingsgedicht in den Sinn:
"Spetga et hagies patienzia mo aunc in pign moment, prest compara l´aurora e clars vegen il firmament“
(Warte und hab Geduld, nur noch ein Weilchen, bald erscheint die Morgenröte und klar wird das Firmament)
"Spetga et hagies patienzia, il brut unviern sto tschessar, e miedis da spir legria van tras las vals tuner."
(Warte und hab Geduld, der rauhe Winter muss weichen und Melodien reiner Freude ertönen durch die Täler)
"Spetga et hagies patienzia sch´il di ei grevs e stgirs sche tut tias rosas han spinas e tias notgs suspirs."
(Warte und hab Geduld, wenn der Tag schwer und dunkel, wenn alle deine Rosen Dornen haben und deine Nächte Seufzer)
"Vonzei sur las vals compara in matg etern pussent, spetga e hagies paziezia, mo, mo aunc in pign moment"
(Nach einer Weile erscheint über den Tälern ein ewiger mächtiger Mai: warte und hab Geduld, nur noch ein Weilchen)
Stefan Gabriel (1570-1638)
Wir danken Klara und Catherine für die Planung und Leitung dieses Wandertages.
Bericht: Walter Hehli
Bilder: Monika Stalder, Eva Hehli, Ruedi Flotron