2022-07-11
Dass der fünfstündige Aufstieg von Giumaglio durch das Unesco-Weltkulturerbe Valle di Lodano zur Capanna Canaa kein Spaziergang sein wird, liess sich leicht aus der Karte herauslesen. Dass die Capanna sich aber entpuppen würde als ein wunderschönes Ensemble aus zwei neuen, vollständig in alter Tessiner Steinbauweise errichteten Gebäuden mit heimeligem, funktionalem Innenausbau hingegen nicht.
Otto Wohlwend, Toggenburger JÖ-ler in den 60er-Jahren, führte als versierter Tessinkenner und hoch qualifizierter Tourenleiter erstmals für seine Stammsektion eine Dreitageswanderung über den Pizzo Cramalina zur Capanna Alzasca nach Cevio.
Von wegen Selbstkocher-Bescheidenheit: Otto besorgte den Einkauf für den ersten Abend, und das hiess gepflegter Apéritif, Risotto, Schüblig, Wienerli und assortierte Zuger Gubelhöpfli (ja, mit b) als Dessert, gekrönt von Zuccherini alpini. Cherchez la femme derrière – danke, Griselda!
Auch in dieser „Hütte“ werden, typisch Tessin, Getränke, Grundnahrungsmittel und was es sonst noch so braucht auf Vertrauensbasis zur Verfügung gestellt. Dieses Vertrauen wird leider oft missbraucht. Martina, junge Doktorandin in Kunstgeschichte, arbeitete in dieser relativen Abgeschiedenheit nicht nur an ihrer Dissertation, sondern sorgte mit ihrer Anwesenheit unauffällig dafür, dass die Moral mancher sog. Gäste nicht im Tal blieb. Selbstverständlich wurde sie zum Apéro eingeladen.
Nicht mal Tau lag am Morgen auf den Wiesen, die Trockenheit im Tessin ist augenfällig und beunruhigend. Beruhigend für uns, denn die Route T4+ über den P. Cramalina zur Bocchetta di Doia verläuft teilweise in der steilen Südflanke, und man hat es als Senior an solchen Orten gerne trocken. Zudem entschärfen drei Ketten die etwas heiklen Stellen erheblich. Tief unten winkt bereits der Lago d‘ Alzasca, und wenig tiefer die gleichnamige Capanna. Ein kühles Bad in einzigartiger Umgebung, dann ein kurzer Abstieg, und am frühen Nachmittag beginnt südliches dolce far niente. Der Apéritif kam diesmal von den beiden Hüttenwartinnen, die ganz genau nach unserem Zwinglipass-System als Freiwillige Dienst taten. Und wie: Perfekte Polenta (weil René hilfsbereit gerührt hat?) mit Brasato, Supplément selbst mehrfach kein Problem.
Entgegen allen Befürchtungen erwies sich der Abstieg nach Cevio als problemlos machbar auf sehr guter, tessintypischer Treppe. Was muss das für eine Arbeit gewesen sein, solche Treppen kilometerweit aus Steinplatten zu legen!
Otto, das war einfach perfekt, nicht nur deine souveräne Führung oder das Wetter. Die Landschaft ist unglaublich schön, die Unterkünfte sind pittoresk, und die Kameradschaft ist mit Freundschaft treffender bezeichnet. Christian, Ernst, Griselda, Kurt, Martin, René und Walter danken dir herzlich.
Bericht: Walter Bächtold
Bilder: Verschiedene Teilnehmende