2021-04-11
Walliser Haute Route anstatt Ötztal
Sonntag, 11. April 21: Um 11:55 Uhr endete die Anreise für Albert Brunner (Bergführer), Reinhold Wick, Nadja Hartmann, Hansruedi Bachmann und Bettina Bachmann in Bourg-Saint-Pierre. Nun sind wir also angekommen in der am weitesten entfernten Ecke der Schweiz vom Toggenburg aus gesehen! Knapp 150 hm mussten wir die Skis noch hochtragen bis wir genügend Schnee am Schattenufer des Torrent du Valsorey fanden und den dortigen Abfahrtsspuren durch Gestrüpp und Lawinenschnee entlang aufstiegen. Erst gegen 18 Uhr trafen wir in der Cabane du Vélan ein. Sie wirkte beinahe ausserirdisch mit ihrer elliptischen Form, und doch ist sie schon 20 Jahre alt! Wir waren die einzigen Gäste – für Montag war schlechtes Wetter angesagt!
Montag, 12. April 21: Nach einer ruhigen Nacht starteten wir mit ca. 10 cm Neuschnee im Schneetreiben bei eisiger Kälte Richtung Mont Vélan. Der Aufstieg mit aufgebundenen Skis und Steigeisen zum Col de la Gouille (3184 m) verlangte allen einiges ab! Die Ketten waren teilweise eingeschneit und hin und wieder wurden wir von Schnee umstäubt, der von den steilen Felsen abrutschte. Oben angekommen stiegen wir ebenfalls mit den Steigeisen wieder ab, bis unter uns keine Felsen mehr waren, und wir mit den Fellen weiter schräg abfuhren. Da das Wetter sich nicht gebessert hat, entschieden wir uns, den Mont Vélan nicht zu ersteigen. Durch ein sehr steiles Couloir (bei Punkt 2994), welches zum Glück sehr gut eingeschneit war (normalerweise muss man da mit den Steigeisen absteigen), und über den weiten Gletscher kurvten wir durch herrlichen Pulverschnee hinter Albert her, der sich den Weg per GPS zeigen liess, weil wir nichts als weiss sahen! Auf rund 2400 m fellten wir wieder an und stiegen die 650 hm zur Cabane de Valsorey auf. Es schneite und windete zünftig. Kurz vor dem Nachtessen erreichten wir die urtümliche Hütte (kleine Gaststube, nur ein Schlafraum, WC-Häuschen etwas weg von der Hütte). Hier waren noch weitere sieben Gäste.
Dienstag, 13. April 21: Laut Wetterbericht stoppte der Schneefall um Mitternacht. Morgens um 7 Uhr schneite es immer noch! Egal! Wir mussten ja «nur» die 600 hm hinter der Hütte hoch fast bis zum Bivacco Musso. 300 hm per Felle der Rest mit Steigeisen. Plötzlich lichteten sich die Wolken und wir hatten prächtige Sicht auf den Mont Vélan und den Mont Blanc. Der Himmel blieb blau! Der Aufstieg war sehr steil und meistens hatte es guten Trittschnee. In einer Mulde löste sich ein Oberflächenschneebrett, wobei Albi mitten drin stand, wenigstens war der Schnee jetzt weg! Nach Pause und kurzer Abfahrt fellten wir an und liefen hoch zum Col du Sonadon. Es folgte eine herrliche Abfahrt knapp an Gletscherabbrüchen vorbei. Nochmals anfellen, hochsteigen und nun abfahren bis auf 2200 m. Nun gemütlich bei herrlichem, warmem Sonnenschein hoch zur Cabane de Chanrion (2462 m). Die ist ganz neu renoviert, sehr freundlich und hell mit Panoramafenstern und fliessendem Wasser (sogar warm!). Hier trafen wir auch nur weitere sieben Tourengänger*innen an! Toll, auf dieser sehr bekannten Route unterwegs zu sein und trotzdem ziemlich einsam zu sein!
Mittwoch, 14. April 21: Bei herrlichstem Wetter, wenigen cm Neuschnee der Nacht und eisigster Kälte wanderten wir über harte Moränenaufstiege (danke Albi für den Strassenbau!) auf den Col de Lire Rose und über den Col du Mont Rouge durch die eindrückliche Gletscherwelt zum Vorgipfel des Mont Blanc de Cheilon. Mit 3827 m war dieser der höchste Punkt unserer Haute Route. Während der Abfahrt zum Col de Cheilon staunten wir einmal mehr über das Wesen der Gletscher: die Farben, Spalten, Löcher, Mächtigkeit, Ewigkeit und doch leider Endlichkeit. Heute erreichten wir unser Nachtlager ohne Aufstieg! Die Cabane des Dix war ziemlich voll, obwohl sie ja eigentlich nur halbvoll war!
Donnerstag, 15. April 21: Wir starteten mit einer kurzen Abfahrt mit Stirnlampe. Bei eisigster Kälte zogen wir die Felle auf. Wobei es so kalt war, dass nicht alle Felle an den Skis haften blieben! Mit Klettriemli und Tape konnte geholfen werden. Als wir endlich in die Sonne kamen, genossen wir ihre wärmenden Strahlen. Das sogenannte Eiswändli auf rund 3600 m wollte Albi ohne Steigeisen überwinden, dafür baute er eine super Strasse, welche alle folgenden Gruppen hoffentlich dankbar nutzten. Nun war es nur noch ein Spaziergang auf die Pigne d’Arolla (3787 m). Die all «Henneschiss» landenden Helikopter trugen dazu bei, dass sich doch ziemlich viele Menschen auf dem Gipfel versammelten. Die Cabane des Vignettes musste noch vor Tourenstart coronabedingt schliessen. Deshalb hat Albi für uns im Rifugio Nacamuli Plätze reserviert. Über den Glacier d’Otemma fuhren wir ab und stiegen auf dem Glacier du Petit Mont Collon zum Col d’Oren auf. Wahnsinn, diese Gletscherwelt! Für alle Neuland! Die Wolken verdichteten sich und Schneefall begleitete uns. Guten Mutes stiegen wir mit Steigeisen auf das Grätli… aber ohalätz: auf der anderen Seite sah man gar nicht, wo der Abstieg endete! Absteigen an notdürftige Stände, am Ende noch 15 m abseilen und dann den Bergschrund überwinden. Drei Stunden hat die Überquerung des Col d’Oren gedauert. Von den Strapazen geschafft, schlurften wir zum Rifugio Nacamuli, wo wir gerade vor dem Nachtessen eintrafen. Zwei weitere Tüüreler waren anwesend. Die Nacht im Schlafsaal war auch unter sechs Wolldecken, mit Daunenjacke und Mütze noch eisig!
Freitag, 16. April 21: Nach den gestrigen Strapazen entschieden wir uns für einen lockereren Tag. Auf dem Sattel zwischen La Vierge und dem Mont Brulé waren wir uns einig, den Mont Brulé, den Albi uns schmackhaft machen wollte, rechts liegen zu lassen. Über den Col de Collon führte uns der Gletscher bis etwa 2500 m hinab. Hier verabschiedeten wir uns von Reini, der leider von einem üblen Husten geplagt wurde (kein Corona!) und nach Arolla abfuhr. Nun folgte ein warmer Aufstieg. Auf 3311 m erwartete uns die Cabane de Bertol. Über Leitern und Treppen erklommen wir die Hütte, die auch halbvoll genug voll war!
Samstag, 17. April 21: Nach nächtlichem Schneefall erwartete uns eine prächtige Morgenstimmung. Dent Blanche, Matterhorn und Dent d’Hérens dominierten das Panorama. Nach kurzer Abfahrt fellten wir ganz sorgfältig an und durchstreiften die atemberaubende, eiskalte Gletscherwelt. Auf der Tête Blanche (3706 m) gratulierten wir uns zum letzten Gipfel der Haute Route. Über Stockji-, Tiefmatten- und Zmuttgletscher kurvten und stöckelten wir unter der Nordwand des Matterhorns bis zur offiziellen Skipiste, auf der wir nach Zermatt abfahren konnten!
Unendlicher Dank für die unvergesslichen Tourentage!