2020-07-23
«Die Tour kann morgen nach Programm durchgeführt werden.» Kurz und sec per Mail an mich und 17 weitere – das ist Kurt Rohner: Kein Mann der vielen Worte, sondern der gelassenen Führung. Ganze drei Mal wird er sich an die respektable Gruppe richten. Begrüssung beim offenbar obligaten Startkaffee, ein Hinweis auf das Eulen-Schutzgebiet von nationaler Bedeutung und bei der kurzen Beratung, ob über Selunbahn - Starkenbach oder direkt nach Alt St. Johann abgestiegen werden soll. Also geht’s auf den Frümsel, trotz früh quellender, bedrohlich schwarzer Blumenkohlwolken. Das ganze Rintl hinauf habe es geschifft, schimpft Christoph, beinahe wäre er umgekehrt. Es blieb dann den ganzen Tag trocken, besser noch: Es war trocken, denn offensichtlich hatten die schweren Regenfälle der Vortage das Toggenburg verschont.
Gut so, denn der Weg auf den Frümsel ist steil, teils tief in die spärliche Grasnarbe eingegraben. Nur bei trockenen Verhältnissen, stand zu Recht im Programm. Zudem hatte ich weder Schirm noch Pelerine noch Regenhose eingepackt. Hauptsache, sagte ich mir, es regnet nicht, solange wir auf dem Frümselrücken sind. Der grosse Rucksack war also halb leer, denn gut möglich, dass beim Torloch noch währschafte Holzscheiter zum Gipfel getragen werden wollten. Dem war aber nicht so, das Frümsel -Augustfeuer ist bereit. Das wird ein eindrückliches Bild abgeben! Corona-Schutz statt Regenschutz, so ändern sich die Zeiten. Maske und Desinfektionsmittel im Rucksack, Coronaregeln im Kopf. Ob der Akku fürs Fotografieren und die Covid-App durchhält? Die Widersprüchlichkeit der Schutzkonzepte tritt offen zu Tage: Warum besteht in Bergbahn-Kabinen Maskenpflicht, in vollbesetzten Gondeln und auf Vierersesseln von Sesselbahnen nicht? Ich verstehe, dass die Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft sich ärgert über die Maskenpflicht im Aussenbereich auf ihren Schiffen.
Wie wird das beim Wandern mit dem Abstand von 1.5 Metern sein? Kurt schlägt ein so vernünftiges Tempo an, dass wir gut vorwärtskommen, kurz nach 12 Uhr auf dem Gipfel sind, problemlos und ständig auf mindestens 2 Meter Abstand laufen und dennoch nicht coronakritisch hintereinander herkeuchen müssen, von wegen Aerosol-Wolke. Nicht nur auf Handschlag und Küsserei wird verzichtet, auch das Gipfelbild entfällt; ob vernünftigerweise wegen Corona oder unbewusst, weil zu viele Leute auf zu wenig Platz, weiss ich nicht. Beeindruckender Tiefblick zwischen Quellwolken hindurch. Alles ist dokumentiert auf den sehr schönen Bildern von Ruedi Flotron, dem ich endlich erstmals begegne und viele eindrückliche Toggenburger-Kalender verdanke, neu aus dem Verlagshaus Schwellbrunn. Mal voraus, mal hintennach, mal rechts, mal links: Ruedi läuft bestimmt den doppelten Weg.
Es kann nicht sein, wegen einer Beiz der Selunbahn entlang, der Winterabfahrt nach abzusteigen, wenn die Alternative ein den meisten unbekannter, schöner, schattiger Weg nach Alt St. Johann ist. Ein kurzer Blick aufs Smartphone, und Kurt folgt ohne Zögern der geplanten Route ostwärts. Wo ist der Rest der Gruppe? Gerade hinunter, voraus. Matthäus 19,30 aus der Zwinglibibel wird zitiert: „Viele aber, welche Erste sind, werden Letzte sein.“ Ob Zwingli ein SAC-Senior war? In Pauls träfer Übersetzung: „Auf Vorauseilende wird nicht gewartet.“ Trotzdem kurzer Halt, Zusammenschluss. Der Weg durch den Chrinnwald, vor vielen Jahren eine rassige Skiabfahrt, wie Angela sich erinnert, verläuft heute ab 1340 m durch eine Wildruhezone. So ändern sich die Zeiten. Nahtloser Anschluss ans Postauto nach Wattwil. Es ist unangenehm heiss unter der Schutzmaske auf der langen Heimfahrt. Dafür viel Platz auch im Zug. So ändern sich die Zeiten. Herzlichen Dank, Kurt, für die schöne Tour unter Corona-Regime (der Akku hielt problemlos durch), und herzlichen Dank, Ruedi, für die schönen Bilder. Die sieben Höhenfeuer zum SAC-Jubiläum auf den Churfirsten werden 2022 doch ein Kalenderbild sein, nicht wahr? Bis bald, auf ein nächstes Mal.
Text: Walter Bächtold
Fotos: Ruedi Flotron