2016-08-28
Die Wetterprognose war fantastisch, genau richtig um aus den hitzigen Tälern auf die Gletscher zu flüchten. Eine fröhliche und sehr durchmischte Gruppe, einerseits was das Geschlecht betrifft aber auch den Erfahrungsschatz in Hochtouren, versammelte sich frühmorgens im Zug Richtung Bern. Es war keine einsame Fahrt, doch hätten wir gewusst, was uns auf dem Heimweg blüht…naja, auf alle Fälle war dann in Kandersteg unser Team komplett und das vorbestellte Alpentaxi chauffierte uns in einer spektakulären Fahrt hinauf nach Selde. Ja, unser Tourenleiter Sepp hat seinen ersten Special Effect aus dem Ärmel gezaubert und es sollten noch einige folgen! Mit Kaffee und Nussgipfeln gestärkt starteten wir bei bereits tüppigen Verhältnissen zuerst noch romantisch dem mäandernden Bach entlang und dann immer steiler und karger werdend hinauf bis „Uf dä Schafgrinde“. Bei einer ersten Pause verblüffte uns Reini nicht schlecht, als er plötzlich hinter einem schützenden Gewächs sitzend, mit entblösstem Oberkörper und nackten Beinen als Nacktwanderer hätte durchgehen können. Unser Pflanzenkenner ist wirklich mit allen Wassern gewaschen. Nach der Mittagspause beim Kanderfirn ging es weiter über den offenen Gletscher. Auch hier eindrücklich und doch bedrückend zu sehen, wie stark er sich in den letzten Jahren zurückgezogen hat. Die Gruppe war in guter Plauderlaune und verglich die mit reissendem Wasser gefüllten Gletscherspalten mit den Wasserrutschbahnen des Alpamare. Für den letzten Abschnitt vor der Mutthornhütte (2900 müM) haben wir uns dann noch in zwei Seilschaften eingebunden und so konnten die etwas ungeübteren, so wie die Schreibende, auch nochmals die Knöpfe mit den Knoten lösen. Auf der Hütte wurden wir herzliche mit Tee und Munzli empfangen. Die sonnige Terrasse lud zum gemütlichen Ausklingen des Nachmittags ein. Mit geübtem Musikerblick entdeckte Reini die funktionstüchtige Gitarre mit Singbüchern und ein sehr begabter ad hoc Chor sang mit grossem Eifer und sehr vielen richtigen Tönen vor unfreiwilligem Publikum bis fast zum Znacht. Für das Essen mit extra Gemüse für Vegetarier und den Service in der Hütte geben wir 5 Sterne, doch den doch eher strengen Duft, welcher in regelmässigen Abständen aus den über den Felsen hängenden Plumpsklos sich ausbreitete, gab doch einigen Abzug. Nach dem Essen montierten einige nochmals die Wanderschuhe und machten sich auf Richtung Mutthorn. Die Spieler-Fraktion begnügte sich mit dem „Zwick“ und Thomas konnte endlich sein Image als ewiger Verlierer bei diesem Spiel abschütteln. Und irgendwann war dann auch Zeit zum Schlafen, schliesslich riet uns der Hüttenwart, spätestens um 5 Uhr loszuziehen, um den Gletscher noch ohne Sonneneinstrahlung überqueren zu können. Und auch da war Sepp wieder unschlagbar, seine nachmittägliche Prophezeiung, dass es wohl noch ein „Blooscht“ gäbe heute, trat ein und wir konnten die Light-Show in Form von Wetterleuchten direkt aus den Betten bei offenem Fenster beobachten. Auch das schnarchfreie Zimmer hat er wunderbar organisiert und für den Bohnensalat zum Znacht kann er wirklich nicht zur Verantwortung gezogen werden.
Und dann war plötzlich 4 Uhr und ein reger Betrieb begann. Nach dem SAC-üblichen Hüttenfrühstück für doch fast alle von uns und einem letzten Briefing von Sepp beim Hüttenwart brachen wir noch im Dunkeln los. Unser wanderndes Lexikon Reini erklärte die Sternbilder und in der Ferne wandelten bereits bemannte Stirnlampen über den Gletscher. Synchron zum Sonnenaufgang marschierten wir bis zum Petersgrat und wurden dort mit einer grandiosen Aussicht auf die Walliser Berge im morgendlichen Dämmerlicht belohnt. Bald schon standen wir vor dem Tschingelhorn, und los ging es mit der Kletterei. Eigentlich wäre geplant gewesen, über das Schneecouloir hochzusteigen, doch dies war mangels Schnee nicht möglich und nur Couloir ist nicht lustig. So blieb uns die Klettervariante, zeitlich etwas aufwändiger doch auf alle Fälle deutlich interessanter und abwechslungsreicher. Also Bonusprogramm. Die Route war meist gut durch Steinmännchen angedeutet und das Hochkraxeln bereitete allen grosse Freude. Auch ein recht steiles, hartes Schneefeld, welches wir senkrecht empor gingen, bot zusätzliche Abwechslung. Und dann gegen 10 Uhr, standen wir auf dem schneebedeckten Plateau des Tschingelhorns (3562 müM) und liessen uns gemütlich zum Zmittag nieder. Natürlich fehlte auch der Gipfelschnaps nicht, danke Thomas! Wir genossen die ringsum Aussicht auf ich kann mich nicht erinnern welche Piz’es, welche dann plötzlich auch Namen trugen wie „Piz möchtino“, „Piz wärauschön“, „Piz fehltmerauno“, „Piz binischogsi“ usw. Nach dem obligaten Fotoshooting stiegen wir in gemütlichem Tempo dieselbe Route wieder hinunter. Dann ging‘s über einen aufgeweichten Gletscher bei hitzigen Temperaturen Richtung Fafleralp und zum Schluss, in museumsähnlicher wilder Landschaft, mit eindrücklichen Steingebilden ziemlich stotzig hinunter bis auf 1800 müM. Noch ein letzter Genussmoment mit Fussbad im erfrischenden Bergbach und die hitzige Doris steckte sogar den Kopf ins Wasser. Kurz vor 15 Uhr erreichten wir überglücklich und doch auch etwas müde die Fafleralp und die Zivilisation hatte uns definitiv zurück. Wir belohnten uns mit herrlichem Fruchtkuchen und erfrischenden Getränken bevor uns dann das Postauto nach Goppenstein transportierte. Im Zug nach Bern fühlte ich mich in die Pariser Rushhour versetzt, wahrscheinlich war die ganze Schweiz in den Bergen und wollte nach Hause. Und wir waren gerade noch rechtzeitig wieder mit Internetempfang um den Schlussgang des Schwingens live auf Reinis Handy zu verfolgen.
Ein herzliches Dankeschön an alle, es war ein wunderschönes Wochenende welches uns in Gedanken noch lange begleiten wird. Herzlichen Dank an Sepp für das Organisieren und das Tragen der Verantwortung und auch an Reini und Thomas für das Übernehmen einer Seilschaft, so dass es auch möglich war zu neunt diese Tour unter die Füsse zu nehmen. Und um Sepp zu zitieren: nach der Tour ist vor der Tour! So, das war’s. In der Kürze liegt die Würze, aber nicht immer…
Mit dabei waren: Doris, Markus, Pia, Reini, Ruedi, Silvia, Thomas, der Tourenleiter Sepp und die Schreiberin Sonja
Bericht: Sonja Stöckli Fotos: Sepp Meier, Thomas Furter und Reini Wick