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Skitourentage Coaz – Palü, Tag 2

2015-04-12

Piz Glüschaint (3594m) 

Nach einer Nacht unter dem Daunenduvet, aber reichlich engen Platzverhältnissen, starteten wir sechs pünktlich um Viertel nach sieben Richtung Piz Glüschaint. Bereits die ersten Spitzkehren oberhalb der Hütte gaben denjenigen Recht, die die Harscheisen vorsorglich montiert hatten. Zudem versprachen die zwei Zentimeter „Flaum“-Schnee vom Vorabend auch nicht unbedingt gute Haftverhältnisse für die Steigfelle in den steilen Querungen. Nach rund drei viertel Stunden hiess es Anseilen, da die Spalten des Gletschers immer offener und offensichtlicher wurden. Gleichzeitig benutzten wir die Gelegenheit, einen Schluck des noch warmen Tees zu trinken und vorsorglich einen kleinen Happen zu essen. Denn die folgenden Steilstufen verlangten Kraft, Energie und Durchhaltewillen. Und plötzlich standen wir vor einer rund 8 Meter hohen Eiswand. Wie weiter? Zum Glück hatte die Seilschaft am Vortag eine sichtbare Spur hinterlassen, so dass Hanspeter mit einer zusätzlichen Eisschraube das Bollwerk begehbar machen konnte und wir mit den aufgebasteten Skiern, den Steigeisen an den Füssen und dem Ankerpickel in der Hand ebenfalls aufs folgende Plateau gelangten. Steigeisen weg, Skis wieder anschnallen und weiter bis zum Skidepot. Dort gab es zuerst mal die verdiente Pause, bevor wir wieder mit Steigeisen ausgerüstet und am kurzen Seil den Nordgrat des Piz Glüschaint in Angriff nahmen. Es ist schon nicht jedermanns Sache, mit 10 Eisenzacken an den Füssen über Felsen zu klettern. Aber mit der Zeit hörten wir das Knirschen und Kratzen nicht mehr und konnten, beziehungsweise mussten uns voll und ganz auf den luftigen Grat konzentrieren. Nun war Gleichgewicht, Schwindelfreiheit sowie Vertrauen in sich und die ganze Seilschaft gefragt. Die groben Felsbrocken, die es zu über- oder umgehen ging, verlangten oft auch Einsätze von Knien und Hosenböden. Die Aussicht auf dem Gipfel des Piz Glüschaint (3594m) entschädigte uns aber reichlich. Das 360 Grad Panorama reichte von der Disgrazia über die Bergeller Berge hin zum Monte Rosa Massiv und weiter über die Walliser-, Berner-, Glarner-, St. Galler- und Bündner-Alpen. Am eindrücklichsten waren aber die sich nahe vor uns befindlichen Gipfel des Piz Morterasch, des Piz Roseg sowie des Piz Berninas mit seinem Biancograt. Auf dem Abstieg ersparte uns eine Schlinge, die wir zum Abseilen über die Ostwand benutzten, das doch eher mühsame Blockklettern. Nun also wieder Steigeisen weg, Felle von den Skiern und nach wenigen Schwüngen standen wir vor der 8 Meter senkrechten Eiswand. Aber auch hier hatten die Vorgänger vorgesorgt. Ein im Eis verankertes Holzscheit vom Hüttenwart mit einer Schlinge daran erlaubte es uns, relativ einfach mit Hilfe der wieder montierten Steigeisen, die für heute letzte Schlüsselstelle hinter uns zu lassen. Was nun folgte war Skispass pur. Pulverschnee wechselte sich mit Firnhängen ab (die harten Steilpassagen vergassen wir darob). Und um 15 Uhr sassen wir alle bei einem kühlen Bier, auf das wir uns schon lange gefreut hatten, und das uns Markus freundlicherweise offerierte. Das fröhliche Trinken wurde noch kurz durch den Hüttenwart unterbrochen, der wenige hundert Meter vor der Hütte den Niedergang einer Nassschneelawine beobachtete, ausgelöst durch eine Franzosengruppe. Reini eilte zusammen mit einem deutschen Bergführer an die Unfallstelle. Eine nur zum Teil verschüttete Person wurde später von der REGA mit vollständig demolierten Skiern ausgeflogen. Die Verletzung erwies sich aber zum Glück nur als Zerrung. Wir anderen versuchten, Theres auf dem Aufstieg zur Hütte auszumachen, denn sie sollte, von Pontresina aus zu Fuss durch das ganze Rosegtal steigend, heute noch zu uns stossen. Und siehe da, wir konnten sie kurz darauf in unserem Kreis begrüssen, nachdem sie das Wasser aus den Schuhen ausgeleert und die Innenschuhe zum Trocknen in die letzten Sonnenstrahlen gestellt hatte. Ob das Wasser nun vom Schwitzen oder von den vielen Bachquerungen stammte, bleibt ihr Geheimnis. Auf jeden Fall waren wir alle so müde, dass es heute nicht mehr für einen Jass reichte und wir bald nach dem Nachtessen nur mit Tee und ohne Wein ins Bett sanken.

 

Text: Otto Wohlwend

Foto: Jösi Forster