2014-03-20
Ab Herisau zu Fuss und in gedanklicher Begleitung durch Infotafeln sind wir 17 Personen während ca. 2 ½ Stunden auf dem Robert Walserweg unterwegs. Der heutige Tag bietet eine spannende Mischung von Kultur und Natur ─ und Petrus beschenkt uns mit prachtvollem Frühlingswetter. Nach einer kurzen Einführung zu Walser’s Leben durch Ida sowie nach einem kleinen Stück Weg treffen wir in der Psychiatrischen Klinik zum Kaffeehalt ein. Seltsam anmutend die verschiedenen Menschen, welche in der Klinik sind und in Begleitung durch die Parkanlage wandern. Sie wirken auf mich äusserst beeindruckend. Es bleibt uns verborgen in welchen Welten diese Menschen leben. Während dieser kurzen Zeit überkommt mich Betroffenheit und eine beklemmende Stimmung ─ wie sind wir doch vielleicht nur um Haaresbreite diesseits der Grenze. Dieser Grenze über der Walser zeitlebens hin und her pendelte. Mit seinen Schilderungen legt er uns vielleicht in weiser Vorahnung, vorausdenkend, feinfühlend, äusserst empfindsam und sensibel empfundene Ansichten über ganz alltäglich erscheinende Begebenheiten heiter dar. Könnten solche Mitmenschen für uns mögliche Wegweiser bedeuten?. Es erfüllt mich tief bewusste Dankbarkeit, Impulse erhalten zu haben, welche mir teilweise verborgen Gebliebenes aufzeigte. Beeindruckend die geografische Lage der Institution und deren grandiose Aussicht: einerseits ist gegen den Bodensee hin die weichhüglige Landschaft mit einem zarten Dunst fein verschleiert und andererseits hebt sich die Kontur des mächtigen Alpsteins wie ein ausgeklügelter bizarrer Scherenschnitt vom blauem Himmel ab. Hartnäckig leuchten am Säntismassiv vereinzelte speckig glänzende Schneefelder
„Wie geisterhaft im Sinken Und Steigen ist mein Leben. Stets seh ich mich mir winken, dem Winkenden entschweben.“
aus dem Gedicht „Zu philosophisch“
Gemächlich ziehen wir über Stock und Stein weiter ─ zeitweilig begleitet von den am Wegrand stehenden Infotafeln mit den tiefgründigen und vielschichtigen Worten und Versen von Robert Walser. Von den umliegenden Kirchen erklingt das 11Uhr Geläute übers Land und wir gehen bergwärts zum Roserwald / Wachtenegg, der Gegend wo Robert Walser verstarb.
„Derart also ging ich von Menschen fort..... Es schneite, und durch das Liebe dichte Schneien klangen die Abendglocken
Sönd willkomm - in der Kulturwerkstatt Appenzellerland. Am Nachmittag, mit von uns noch zwei dazugekommenen Personen, erzählt uns Werner Alder ─ passionierter Hackbrettspieler und –erbauer in der 4. Generation ─ vom wahrhaft gelebtem Brauchtum. Hochburg vom Hackbrett sind beide Appenzell, das Wallis und das Toggenburg ─ und sie liessen sich dieses Instrument nicht nehmen. Ursprünglich stammt das Hackbrett aus Persien, danach fand es den Weg über Osten nach Europa, wo es 1447 erstmals erwähnt wurde. Während Alders Erklärungen kommt Maya Stieger mit ihrer Geige ins Spiel ─ und die beiden streuen einpaar Appenzellerweisen ins Programm ein. Ich picke nur zwei der vielen kostbaren Détails seiner Ausführungen heraus. Zum Beispiel spricht Werner Alder überzeugend und ausführlich vom Wachsen und Fällen ... des Mondholzes, als Geschenk der Natur, von Gott. Oder er erklärt die verschiedenen Ruten, welche je nach Form oder Holzart der „Musig“ Leben geben, und wie sie auch zum „Vor- und Nohlah“ dienen. Während seiner ganzen Darbietung in Wort und Klang läuft hinter dem Rücken eine ganz witzige Diaschau ab. Mit seiner genussvollen, unterhaltsamen Art weiss Werner Alder sein Publikum mit Zwischenbemerkungen und Fragen einzubeziehen. Tonfall, Mimik und Spiel seiner listigen Augen lassen den Nachmittag aufblühen. Auch sein Hinter-länder – Dialekt tönt wie eine Melodie in meinem Ohr. Nach einem spannenden Einblick in seine Werkstatt sind wir des Sehens, Hörens, Staunen und Geniessens voll. W. Alder treffend zu beschrei-ben ist unmöglich! Man muss ihn zusammen mit Maya gesehen, gehört und erlebt haben. Ein einmalig sich ergänzendes Duo. www.alder-hackbrett.ch
Das Programm zum Frühlingsanfang, zu Tag- und Nachtgleiche war ein Volltreffer! Ida, du hast uns einen tollen Tag beschert, DANK sei dir dafür. In einem Kontrastprogramm hast du uns Wanderer diese beiden Menschen in gelungener, wohltuender Reihenfolge näher gebracht. Der Rundweg auf Walsers Spuren hat die Möglichkeit zum besinnlichen Innehalten und Vertiefen geboten. Am Nachmittag lernten wir einen Vertreter aus der Gegenwart kennen. Beiden ist gemeinsam, dass sie Lebensweisheiten weitergeben. Robert Walser wie auch Werner Alder geben nicht nur Vieles in ihren Worten preis, sondern noch mehr zwischen ihren Zeilen.
Text: Rosmarie Frick